Elke hat zwei erwachsene Kinder und ein sehr bewegtes Leben geführt, wie sie sagt: "Jede Falte zeigt einen Teil davon und darauf bin ich stolz." Nun hat die 63-Jährige sogar ihre Hüllen fallen gelassen. Zum ersten Mal ist sie vollkommen unbekleidet im Fernsehen zu sehen und macht Werbung für eine Körpercreme von Dove.
Auch Daniela, Künstlerin, Lehrerin und Mutter von drei Kindern, sieht man nackt auf den Riesenpostern, die in diesen Wochen landauf, landab plakatiert sind. Alles an der attraktiven 62-Jährigen ist echt - die grauen Haare und die Alters-flecken. Glaubt man der Werbung, scheint die von Unilever speziell für anspruchsvolle Haut und Haare entwickelte neue Pflegeserie wie für sie gemacht.
Selbstbewusst haben sich die beiden Seniorinnen, die nie zuvor vor der Kamera gestanden haben, als Models beworben. "Das war unsere Bedingung, wir wollten wahre Schönheit aus dem wirklichen Leben zeigen", sagt Jörg Herzog. Er ist der Mann, der Frauen ab 50 als neue Verführerinnen entdeckt. Für den geschäftsführenden Kreativ-Direktor der Düsseldorfer Werbeagentur Ogilvy & Mather mit Sitz im Medienhafen ist Anti-Aging ein alter Hut. Pro Age lautet seine Parole - was einer Revolution in der Kosmetikbranche gleichkommt. Denn bislang hieß es zwischen Tiegel und Töpfchen stets: Schön ist nur, wer jung ist. Gewinnbringend wurde so vor allem die Angst vor Falten und Älterwerden geschürt.
"Wir dagegen fördern die positive Einstellung zum Leben: Werde alt und bleib' schön", sagt Jörg Herzog. Zusammen mit Kollegen in London und Chicago hat er die weltweit Aufsehen erregende Kampagne erfunden. "Sex sells", der alte Werbegrundsatz, dass Erotik immer zieht, hat die Jugendwahn-Falle endlich verlassen. Frauen wissen es schon lange: Mit 50 ist man aktiv, fühlt sich gut. Natürlich wird man älter, aber "dagegen kann man und sollte man auch nichts tun", sagt zum Beispiel Schauspielerin Hannelore Elsner (64). Auch Oscar-Gewinnerin Helen Mirren ("The Queen") ist 61 und nicht mehr die Einzige im Scheinwerferlicht mit Charakterfalten im Gesicht.
Unter den fünf Oscar-nominierten Frauen in diesem Jahr für die "Beste Darstellerin" waren zudem die 71-jährige Judi Dench, alias James Bonds Chefin "M", und Meryl Streep (57). Was ist los in Hollywood? Ein Aufstand der Alten? Ein Aus- und Aufbruch aus dem Methusalemkomplex?
Mitnichten: Die Erklärung ist simpel. Die Alterspyramide steht Kopf. Der demographische Wandel und eine rapide steigende Lebenserwartung sorgen dafür, dass Menschen im besten Alter mehr und mehr ins Zentrum der Gesellschaft rücken - auch wirtschaftlich. "Da ist ein globaler Trend von Tokio bis Toronto, von Köln bis Kapstadt", sagt Ogilvy-Chef Joachim Strate. Dabei komme das Bilderbuchklischee vom alten Mütterchen, das seinen Lebensabend schweigend mit Stricken am Ofen verbringt, in der Realität so gut wie nicht mehr vor. Da liegt es auf der Hand, dass sich nicht nur der Staat Gedanken über die neue gesellschaftliche Wirklichkeit machen muss, sondern auch die Wirtschaft.
"Wir stellen die Frauen lieber aufs Podest vor die Kamera", sagen die Düsseldorfer Werbestrategen und engagierten die berühmte Fotografien Anne Leibovitz. Sie hat in New York die beeindruckenden Bilder der Dove-Werbekampagne gemacht. Die unbekleideten Seniorenmodels strahlen Persönlichkeit aus, wirken stolz und selbstbewusst - eine überzeugende Demonstration, dass Schönheit keine Frage des Alters sein muss.
Bereits zum zweiten Mal wagte sich Jörg Herzog auf vermeintlich unpopuläres Terrain: 2005 hatte er die Idee, füllige Unterwäschemodels abzulichten, um eine hautstraffende Körperlotion von Dove zu vermarkten. Dafür gab es Lob aus der Branche und - die Verkaufszahlen waren blendend.
Der 39-Jährige hat offensichtlich ein gutes Gespür für gesellschaftliche Entwicklungen. Er erkannte, dass die Zeit reif war für diese Art von Werbung. Dove hatte im Vorfeld der Kampagne eine weltweite Umfrage gemacht, deren Ergebnisse belegten, wie enorm der Nachholbedarf bei Werbung mit älteren Personen ist. Die große Mehrheit der in Deutschland befragten Frauen zwischen 50 und 64 fühlte sich in Medien und Werbung unterrepräsentiert. 67 Prozent äußerten, wenn Frauenzeitschriften die Gesellschaft widerspiegeln würden, müsste man denken, Frauen über 50 existierten gar nicht. Die Studie des Alterforschers Robert Butler hat gezeigt: 91 Prozent der Frauen finden, es sei an der Zeit, dass die Gesellschaft ihre Ansichten über Frauen und Älterwerden ändert.
Sympathisch-schüchtern genießt Jörg Herzog, der auch der Dove-Papst genannt wird, seinen Ruf als Frauen-Versteher. Seit sieben Jahren treibt der Diplom-Designer bei Ogilvy das Kreativ-Geschäft voran. Dove ist einer der wichtigsten Kunden, die von der drittgrößten Düsseldorfer Agentur betreut werden.
"Es kommt nicht oft vor, dass man mit einer Marke international so erfolgreich ist", sagt Jörg Herzog mit unverhohlenem Stolz. Er weiß, was er kann und hat gradlinig sein Ziel verfolgt. In die Werbung wollte er schon immer und eine "big idea" landen, wie es in der Branche heißt. Als kleiner Junge haben ihn die Poster und Plakate aus den 20er-Jahren fasziniert. Später, bevor er einige Zeit in London lebte, hat er für das Plattenlabel EMI Cover entworfen. Wie er ist auch seine Frau, die PR-Beraterin Beate Berns, in Köln geboren. Zusammen mit Tagesthemen-Sprecherin Anne Will hat sie dort die Schulbank gedrückt.
Noch heute zeichnet Jörg Herzog all seine Ideen von Hand in Skizzenbücher, ohne die er niemals verreist. So auch gestern, als er und sein Team im Berliner Tempodrom vom Art Directors Club (ADC) ausgezeichnet wurden. Unter 7875 eingereichten Arbeiten wurde die Pro-Age-Kampagne gleich mit zwei Preisen dekoriert.